Beschluss: zugestimmt

Abstimmung: Ja: 15, Nein: 2, Enthaltungen: 0, Befangen: 0

Sachverhalt:

 

I.         Hintergrund

Die Energiewende in Deutschland ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung kommt den Kommunen zur Umsetzung der Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene eine Schlüsselrolle zu. Sie sollen die Vorgaben der Bundesregierung und der Staatsregierung konkret umsetzen und den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Insbesondere in Bayern hat das Thema in den letzten Monaten deutlich an Fahrt aufgenommen:

·         Durch das „Wind-an-Land-Gesetz“ müssen die Planungsverbände bis Ende 2032 1,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie ausweisen, um eine Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich zu vermeiden. PV-Freiflächenanlagen sind bereits an Autobahnen und Schienenstrecken privilegiert. In vielen Gemeinden sind schon Projektenwickler und Unternehmen aktiv, sprechen Landwirte und Grundstückseigentümer an und sichern sich potentiell geeignete Flächen, um EE-Projekte zu realisieren und Gewinne aus der Stromerzeugung zu realisieren oder sich selbst mit günstigem Strom zu versorgen. Die Gemeinden sind mit einer wachsenden Zahl an entsprechenden Bauanträgen oder Anträgen für vorhabenbezogene Bebauungspläne konfrontiert.

·         Von den Gemeinden wird gefordert, die Energiewende vor Ort zu koordinieren und zu moderieren. Sie sollen Kriterien und Konzepte entwickeln, wo und welche EE-Anlagen im Gemeindegebiet errichtet werden dürfen. Dabei sollen sie auch die Akzeptanz der Bürger berücksichtigen.

·         Industrieunternehmen fordern mittlerweile aktiv den Bezug von regional erzeugter erneuerbarer Energie. Die Verfügbarkeit von regional erzeugtem Strom wird dabei in doppelter Hinsicht zum Standortfaktor. Zum einen sind insbesondere durch den Ukraine-Krieg die Strompreise massiv gestiegen. Dies hat den vergleichsweise günstigen Direktbezug von Strom aus EE-Anlagen für Unternehmen attraktiv gemacht. Zudem müssen sich auch Unternehmen nachhaltig aufstellen und ihre Treibhausgasbilanz verbessern. Ein entscheidender Faktor dabei ist der Bezug von erneuerbaren Energien.

·         Auch für viele Gemeinden ist das Thema günstige Energie im letzten Jahr in den Fokus gerückt. Bei den Ausschreibungen zur Strombeschaffung haben sich die Marktturbulenzen unmittelbar auf den kommunalen Haushalt ausgewirkt. Viele Kommunen mussten im letzten Jahr für das Lieferjahr 2023 den Zuschlag auf einen Strompreis von 40 ct/kWh bis zu 105 ct/kWh erteilen. Für die Versorgung der eigenen kommunalen Liegenschaften ist daher die Beschaffung von regional erzeugtem Strom über Direktlieferverträge (PPAs) eine Alternative zur reinen Beschaffung über Vollversorgungsverträge mit Abhängigkeit vom Börsenpreis. Die Einspeisevergütung nach dem EEG beträgt derzeit 7,1 Cent pro kWh. Zu diesem Preis können entsprechende Windkraft- oder PV-Freiflächenanlagen Strom in das Netz der allgemeinen Versorgung einspeisen und wirtschaftlich betrieben werden. Alternativ kann ein entsprechend günstiger Preis über Direktlieferverträge an Letztverbraucher z.B. die Kommunen weitergeben werden. Durch den Ausbau eigener erneuerbarer Energien Anlagen können daher langfristig die Belastungen für die kommunalen Haushalte verringert und gleichzeitig die eigenen Treibhausgasbilanz der Kommunen verbessert werden.

·         Der Netzausbau ist in den letzten Jahren nicht ausreichend vorangekommen, um die benötigte Anzahl an PV-Anlagen oder Windkraftanlagen an das Netz anzuschließen und die erzeugte Energie abzunehmen. Die Netzbetreiber sind hier auch auf die Kommunen angewiesen, die durch ihre Konzepte, Kriterien und das Baurecht festlegen, wo EE-Anlagen errichtet werden dürfen. Die Netzbetreiber können den Netzausbau dann nach diesen Kriterien ausrichten.

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden und die Wertschöpfung in den Kommunen zu halten, bietet es sich an, mit Hilfe einer gemeinsamen, rein kommunalen Gesellschaft der Gemeinden und des Landkreises die Energieerzeugung vor Ort selbst in die Hand zu nehmen. Dies wird beispielsweise im benachbarten Landkreis Haßberge bereits durch eine kommunale Gesellschaft umgesetzt.

Am 31.03.2023 haben sich die Bürgermeister und der Landkreisgemeinden und der Landkreis Aschaffenburg daher von der Kanzlei Becker Büttner Held über die grundsätzliche Möglichkeit und rechtliche Umsetzungsmodelle zum eigenen wirtschaftlichen Engagement im Bereich der Erneuerbaren-Energien informieren lassen.

Die auf Energierecht und die Beratung von Stadtwerken und Kommunen spezialisierte Kanzlei berät derzeit in Bayern mehr als 30 Landkreise bei der Gründung gemeinsamer Gesellschaften oder bei der Erarbeitung eines Konzepts für die Gründung solcher Regionalwerke / Kreisenergiegesellschaften.

II.       Konzept Regionalwerk

Beim Aufbau eines gemeinsamen Regionalwerks schließen sich die beteiligten Gemeinden und der Landkreis zu einer gemeinsamen Gesellschaft zusammen. Durch die gemeinsame Umsetzung erneuerbarer Energien Projekte im Landkreis können finanzielle und organisatorische Synergien geschaffen werden, die Wertschöpfung bleibt in den Kommunen, wodurch auch die Akzeptanz vor Ort erhöht wird, die Gemeinden können ihre Pläne und Konzepte untereinander und mit dem Netzbetreiber abstimmen und langfristig können die Kommunen und ihre Bürger mit günstigem erneuerbarem Strom versorgt werden. In einem Regionalwerk können außerdem weitere (je nach Rechtsform auch hoheitliche) Tätigkeiten gebündelt werden.

III.     Tätigkeit und möglicher Aufbau des Regionalwerks

Das gemeinsame Regionalwerk hätte zunächst die Aufgabe, mögliche Projekte in den beteiligten Gemeinden zu finden und zu entwickeln. Dazu gehört unter anderem die Ermittlung geeigneter Flächen, die Flächensicherung durch Pachtverträge mit den Eigentümern, die Einholung der nötigen Genehmigungen (vorhabenbezogener Bebauungsplan, Baugenehmigung, BImSchG Genehmigung bei Windkraft) und sonstiger Gutachten. Die Finanzierung und die Errichtung der Anlagen eines Projekts erfolgt dann aus Gründen der Haftungsbegrenzung und der besseren Finanzierbarkeit (Bankendarlehen) in separaten (Tochter-)Gesellschaften (Projektgesellschaften). Nach der Entwicklung eines Projekts im Regionalwerk, werden die Projektrechte an die Projektgesellschaft verkauft, wodurch im Regionalwerk ein Gewinn entstehen kann, der allen beteiligten Kommunen zugute kommt. An diesen Projektgesellschaften können sich die einzelnen Kommunen direkt oder indirekt beteiligen und entscheiden ob sie das jeweilige Projekt (Errichtung und Betrieb der Anlage) weiter finanzieren wollen. Die Höhe und die Art der finanziellen Beteiligung der Kommunen an den Projektgesellschaften kann je nach gewünschtem Modell rechtlich unterschiedlich ausgestaltet werden. An den Projektgesellschaften können auch Dritte, wie Stadtwerke, Bürgerenergiegenossenschaften oder Industrieunternehmen beteiligt werden. Auch weitere Formen der Bürgerbeteiligung sind auf Ebene der Projektgesellschaften möglich.

Das Regionalwerk kann dann als großer (oder sogar größter) Projektentwickler im Landkreis den Netzausbau gebündelt mit dem Netzbetreiber abstimmen. Auch mit weiteren für die Energiewende zentralen Akteuren wie dem Bauernverband kann das Regionalwerk zusammenarbeiten, die Landwirte an der Wertschöpfung beteiligen und z.B. Pachtverträge landkreisweit abstimmen. Auch insofern hat das Regionalwerk über die Bündelung der Interessen vieler Kommunen eine gewisse Schlagkraft und Bedeutung v.a. gegenüber Netzbetreibern. Zudem kann eine gebündelte Anfrage bei den Netzbetreibern zeitliche Vorteile bringen, da sich der Netzbetreiber nicht laufend mit einzelnen Anfragen befassen muss.

Je nach Rechtsform und gewünschtem Modell ist es möglich, langfristig auch hoheitliche Aufgaben, wie z.B. die Straßenbeleuchtung oder die Klärschlammverwertung auf das Regionalwerk zu übertragen. Denkbar ist auch die Zentralisierung von Aufgaben wie IT-Leistungen für Schulen.

IV.      Rechtsformen

Eine gemeinsame Gesellschaft kann sowohl in privatrechtlicher Rechtsform (z.B. GmbH), als auch in öffentlich-rechtlicher Rechtsform (z.B. Kommunalunternehmen) gegründet werden (Art. 86 GO). Das Kommunalunternehmen als besondere Form der Anstalt des öffentlichen Rechts bietet sich an, da hier keine private Beteiligung möglich ist, die Gesellschaft also immer 100 % kommunal bleibt und hoheitliche Aufgaben übertragen werden können. Das Kommunalunternehmen ist dabei durch den starken Vorstand und die Vertretung der Kommunen im Verwaltungsrat flexibel genug, um Projekte effizient voranzubringen.

Die Projektgesellschaften sind üblicherweise GmbH & Co. KGs (v.a. vereinfachte Aufnahme von Gesellschaftern). An diesen Gesellschaften können sich Dritte, auch Bürger über Bürgerenergiegenossenschaften (BEG) unproblematisch beteiligen und die Finanzierung der Projekte unterstützen.

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Beispielstruktur:

 

V.    Kommunalrechtliche Zulässigkeit

Die Energieversorgung ist gemäß Art. 83 Abs. 1 BV originäre Aufgabe der Gemeinden (kommunale Daseinsvorsorge) und daher von einem öffentlichen Zweck gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO gedeckt. Die Energieversorgung umfasst dabei auch die Betätigung im Bereich der Energieerzeugung. Durch den neuen Art. 3 Abs. 6 Satz 2 BayKlimaG sind die Gemeinden und insbesondere auch die Landkreise in Bayern bei der Errichtung und dem Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien nicht (mehr) an die Deckung des voraussichtlichen Bedarfs in ihren jeweiligen Gebieten gebunden. Gemeinden wie Landkreise dürfen sich daher im Rahmen Ihrer Leistungsfähigkeit in der Energieerzeugung wirtschaftlich betätigen und sich an Gesellschaften beteiligen.

B.         Umsetzung

I.         Weiteres Vorgehen / Beauftragung der Gremienvertreter

Drei Vertreter aus der Reihe der Bürgermeister werden gemeinsam mit dem Landkreis und die zu beauftragende Kanzlei Becker Büttner Held ein passendes Umsetzungskonzept und Vertragswerk erarbeiten.

Über die Beteiligung an der Gesellschaft und die Unterzeichnung der erarbeiteten Verträge wird in gesonderter Sitzung Beschluss gefasst.


Beschluss:

Der Marktgemeinderat Schöllkrippen befürwortet grundsätzlich die gemeinsame Betätigung der Landkreiskommunen und des Landkreises im Bereich der Stromerzeugung und -versorgung und die hierfür erforderliche Gründung einer Gesellschaft in einer Organisationsform.


Abstimmung:

 

Ja-Stimmen

15

Nein-Stimmen

2

pers. beteiligt

0